Morgens um neun Uhr auf der Südamerika-Anlage: Höchste Zeit für die Kleinkamele aus dem südamerikanischen Hochland, sich vom Stall ins Freigehege zu begeben ? sofern nicht gerade übelstes Schmuddelwetter herrscht. Neben den drei Vikunja-Stuten Lara, Lima und Xenia trabt dann seit Kurzem auch der erst drei Wochen alte Xano mit nach drau?en. Dort angekommen, geht der kleine Kamelhengst zuerst mal eine Runde ?Joggen?. Wie vom Hafer gestochen saust er auf seinen langen Stelzen los, einmal quer über die Wiese und wieder zurück ? tollkühne Vollbremsungen mit allen Vieren inklusive. Ein begeistertes Publikum am Gehegezaun ist ihm bei solcherlei Kapriolen gewiss. Aber selbst wenn Xano einfach ruhig neben seiner Mutter Xenia steht, ist er eine Augenweide: Gro?e braune Augen, lange Wimpern ? und dieser kuschelweiche, hellbraune Wollpullover, den er da trägt! Wenn es demnächst Herbst wird, würde mancher Besucher sicher gerne mit ihm die Kleider tauschen. Zumal Vikunja-Wolle als die seltenste und teuerste der Welt gilt.
Zwar ist Xano gebürtiger Schwabe, doch nach Stuttgart war er im Juni als kleines ??berraschungsei? gekommen: Dass seine siebenjährige Mutter Xenia mit ihm trächtig war, als sie vom Zoo Hannover in die Wilhelma umzog, wusste damals keiner. Xanos Vater ist also nicht der Wilhelma-Hengst Casper, sondern ein Hannoveraner Vikunja-Mann. Weil Casper aber die Nachkommen von potenziellen Rivalen nicht leiden kann und sie das auch deutlich spüren lassen würde, musste er zu Xanos Schutz vorübergehend von der Gruppe getrennt werden. Obwohl ihrem Fohlen also keinerlei Gefahr droht, hat Mutter Xenia stets ein wachsames Auge auf Xano ? und wehe, es kommt ihm ein Fremdling zu nahe! Beim Kinderhüten zur Seite stehen ihr ?Tante? Lara und die erst zweijährige Stute Lima, die eifrig die gro?e Schwester und mit Klein-Xano am liebsten ?Necken? spielt.
Vikunjas gehören mit Guanakos, Lamas und Alpakas zu den vier Neuweltkamelen Südamerikas und kommen in den Anden bis in unwirtliche Höhen von 5500 Metern vor. Ihre dichte Wolle schützt sie vor Kälte und das gro?e Herz versorgt sie trotz dünner Höhenluft mit genug Sauerstoff. Zudem wachsen ihre unteren Schneidezähne wie bei Nagetieren ständig nach ? was unter Paarhufern einmalig ist ? so dass Vikunjas sogar das kurze, störrische Hochlandgras klein kriegen. Ihrer feinen Wolle wegen wurde die Art fast ausgerottet, nur dank strengen Schutzes hat sich der Bestand wieder erholt.